Cathedrals and the Peloton
© James Startt
News

Tour de France: Das Foto des Tages

Der Fotograf James Startt dokumentiert die Tour de France seit 36 Jahren. Verfolge seine Reise durch die diesjährige Ausgabe – Tag für Tag.
Autor: James Startt
5 min readPublished on
01

1. Etappe: Mont Cassel

Mont Cassel

Mont Cassel

© James Startt

Mont Cassel ist das französische Pendant zu einem flämischen Anstieg – kurz, knackig und mit Kopfsteinpflaster. Er taucht regelmäßig bei Radrennen in dieser Ecke Nordfrankreichs auf. Kein Wunder also, dass der Grand Départ der diesjährigen Tour de France ihn nicht nur einmal, sondern gleich auf zwei der ersten Etappen eingebaut hat.
Die erste Etappe der Tour de France ist immer ein besonderer Moment: Die Menschenmengen sind riesig, die Spannung liegt in der Luft. Und auch wenn das Rennen dieses Jahr nicht im Ausland gestartet ist – wie letztes Jahr in Florenz oder nächstes Jahr in Barcelona – haben die französischen Fans deutlich gezeigt, dass sie da sind.
Für mich ist es die 36. Tour de France – und die erste seit Jahren, die komplett in Frankreich stattfindet. Aber bei der Tour ist nichts vorhersehbar – und obwohl diese Auftaktetappe ursprünglich den Sprintern zugedacht war, hielt sie dennoch einige Überraschungen bereit.
02

2. Etappe: Arras in the Rain

Arras in the Rain

Arras in the Rain

© James Startt

Arras war schon immer ein Juwel Nordfrankreichs. Einst ein Zentrum des historischen Wollhandels, war die Stadt über Jahrhunderte hinweg wohlhabend – und das spürt man noch heute im prachtvollen Stadtkern.
Auf der zweiten Etappe der Tour de France wurden die Fahrer allerdings vom Regen empfangen – ein krasser Gegensatz zur gestrigen Auftaktetappe. Malerische Aufnahmen am Straßenrand waren zu Beginn also Mangelware. Aber ich setzte meine Hoffnungen auf Arras.
Ich war früh da, um mir in Ruhe einen Überblick zu verschaffen und den besten Blickwinkel zu finden, um die Tour de France einzufangen, wenn sie über den riesigen Platz rollt. Zum Glück entdeckte ich ein Pärchen, das von seinem Balkon hinunterblickte. Ich gab ihnen ein Zeichen, dass ich gern zu ihnen hochkommen würde – und sie verstanden sofort und luden mich freundlich ein. Ein örtlicher Gendarm half mir sogar noch, ein paar Absperrungen zu verrücken, damit ich mein Auto hinter den Zuschauern abstellen konnte, bevor ich die Wohnung im zweiten Stock erreichte.
Von dort oben bot sich wirklich ein perfekter Blick über den Platz. Ich musste nur noch warten, bis das Rennen kam – und als es soweit war, habe ich einfach drauflos fotografiert.
Beim Bearbeiten der Bilder dachte ich zwar, wie schön es gewesen wäre, wenn die Sonne geschienen hätte – das Peloton vor den goldenen Fassaden wäre einfach traumhaft gewesen. Aber so ist Radsport. So ist die Tour de France.
03

3. Etappe: Red Bricks and the Bleu, Blanc, Rouge

Cathedrals and the Peloton

Cathedrals and the Peloton

© James Startt

Heute war der letzte Tag des diesjährigen Grand Départ, der rund um Lille stattfand. Also hatte ich mir vorgenommen, etwas einzufangen, das typisch für die Region ist. Doch bei erneutem Regen war das leichter gesagt als getan.
Ich fuhr dem Rennen voraus, aber ein Bildmoment wollte sich nicht ergeben – ein Dorf nach dem anderen, in dem die Zuschauer sich vor dem Regen unterstellen mussten, anstatt zu picknicken oder zu feiern, wie man es sonst kennt. Erst in der Gegend um Orchies klarte es endlich ein wenig auf. Orchies ist natürlich bekannt für sein Kopfsteinpflaster, das jedes Jahr ein wichtiger Teil von ParisRoubaix ist. Ich kenne diese Straßen gut – auch wenn die Tour dieses Jahr auf die Pflasterpassagen verzichtet hat.
Kurz nach MonsenPévèle – ebenfalls ein legendärer Ort der Hölle des Nordens, wie ParisRoubaix oft genannt wird – stieß ich auf einen Vater mit seiner Familie, alle in den Farben bleu, blanc, rouge gekleidet. Sie standen vor einem alten Haus mit typischen roten Ziegeln und verblassten blauen Fensterläden – so wie man es in dieser Region oft sieht. Der Kontrast zu den Farben der französischen Flagge war einfach perfekt. Ich konnte mir schon vorstellen, wie diese Szene noch mehr leuchten würde, wenn das Peloton vorbeirauscht.
Und ich wurde nicht enttäuscht! Genau das liebe ich so an der ersten Woche der Tour. Klar, es gibt keine hohen Berge – aber die Bilder und Geschichten, die hier entstehen, haben ihren ganz eigenen Zauber.
04

4. Etappe: Cathedrals and the Peloton

Cathedrals and the Peloton

Cathedrals and the Peloton

© James Startt

Gestern war in gewisser Weise die Tour der klassischen Kathedralen – wir starteten in Amiens und beendeten die Etappe in Rouen, zwei Städte, die für ihre Meisterwerke gotischer Architektur berühmt sind.
Im Roadbook war ich mir nicht sicher, ob die gestrige Etappe wirklich an der Kathedrale in Amiens vorbeiführte, also bin ich heute Morgen beim Start ein bisschen herumgelaufen, um das herauszufinden. Und tatsächlich – auch wenn die Strecke nicht direkt an der Fassade vorbeiführte, schlängelte sie sich hinter dem Kirchenschiff entlang.
Ich dachte, ich hätte den perfekten Spot gefunden, bis eine Frau zu mir kam und meinte, sie wohne in dem Gebäude direkt vor mir. Sie lud mich ein, hochzukommen und die Aussicht von oben zu betrachten.
Natürlich sagte ich ja.
Und tatsächlich – aus dem Fenster im ersten Stock hatte man den besten Blick: die Kathedrale im Hintergrund, der vorbeiziehende Peloton unten auf der Straße. Als ich mein Bild vorbereitete, fielen mir die alten Bleiglasfenster auf – sie gaben dem Bild noch eine zusätzliche Dimension. Ich liebe es, einen Rahmen zu bauen – das ist einer der Aspekte der Fotografie, der mich bis heute am meisten fasziniert. Und in diesem Fall ist mir sogar ein Rahmen im Rahmen gelungen – perfekt, als der Peloton durchfuhr!
05

5. Etappe: Time Trial Moods

Time Trial Moods

Time Trial Moods

© James Startt

Ein Zeitfahren bei der Tour de France ist vieles zugleich. Es ist ein Kampf gegen die Uhr. Eine Lektion in Sachen Tempo und Aerodynamik. Ein Duell um das maillot jaune. Aber es ist auch eine wunderbare Gelegenheit, Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen. Und das heutige Zeitfahren rund um die nordfranzösische Stadt Caen bot dafür reichlich Möglichkeiten.
Die 33 Kilometer lange Strecke führte durch Weizenfelder und kleine Dörfer. Und obwohl die Tour für ihren Druck und ihre Dramatik bekannt ist, war es für viele Fans heute einfach ein schöner Tag zum Anfeuern – und zwar für alle Fahrer des diesjährigen Pelotons.