Es gibt Tage, an denen passt einfach alles zusammen. Der Rennverlauf, die Beine, die Taktik, die äußeren Bedingungen. Es sind die Tage, an denen die Voraussetzungen nicht besser sein könnten, um Radsportgeschichte zu schreiben. Für Luke Tuckwell war die fünfte Etappe des diesjährigen Giro Next Gen 2025 ein genau solcher Tag. Auf dem 153 Kilometer langen Tagesabschnitt von Fiorenzuola d'Arda nach Gavi ließ sich der junge Australier aus den Reihen der Red Bull – BORA – hansgrohe Rookies weder von den sommerlichen Temperaturen noch von den zahlreichen Attacken der Konkurrenz beeindrucken – und fuhr ins Rosa Trikot des Gesamtführenden.
Zwar musste Tuckwell die Führung am Schlusstag des „Baby Giro“ nach einem harten Kampf noch an den Slowenen Jakob Omrzel abgeben. Dennoch war sein Auftritt in Italien ein Paukenschlag. Die klare Botschaft: Luke Tuckwell ist ein Fahrer, der in der Weltspitze mitmischen kann – und den man für die Zukunft im Blick behalten muss.
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Top-Ergebnisse im U23-Radsport
„Das Pink war definitiv mein Highlight bisher“, erinnert sich der Youngster. „Natürlich hätte ich es gerne länger getragen, aber allein dieses Trikot einmal überzustreifen, war unglaublich. Es hat mir gezeigt, dass ich mit den besten Fahrern meiner Altersklasse auf Augenhöhe bin“, erzählt der 21-Jährige. Es ist eine Aussage, die zum stets bescheidenen Auftreten des Australiers passt. Denn dass er ein großes Talent ist, hatte er schon zuvor des Öfteren bewiesen: 2024 hatte er den Giro d’Italia der U23 mit Platz zehn abgeschlossen und Platz sechs beim französischen Etappenrennen Ronde de l'Isard geholt. In diesem Frühjahr war er außerdem Achter bei der U23-Ausgabe von Lüttich-Bastogne-Lüttich geworden.
Seit ich ein kleines Kind war, träume ich davon, einmal die Tour de France zu fahren. Jetzt bin ich diesem Ziel einen großen Schritt nähergekommen, dementsprechend glücklich bin ich.
Dass er nun mit einem Profivertrag bei Red Bull – BORA – hansgrohe ausgestattet wurde, ist daher kein Produkt einer einzelnen Topleistung, sondern die logische Konsequenz einer konstanten Entwicklung. „Seit ich ein kleines Kind war, träume ich davon, einmal die Tour de France zu fahren. Jetzt bin ich diesem Ziel einen großen Schritt nähergekommen, dementsprechend glücklich bin ich“, erzählt Tuckwell, ehe er anfügt: „An dieser Stelle ein großer Dank an Red Bull – BORA – hansgrohe für den anhaltenden Support und das Vertrauen in mich.“
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Vom Kinderzimmer auf die Champs-Élysées
In der Tat hatte es sich schon in Tuckwells Kindheit abgezeichnet, dass er Radrennfahrer werden würde – auch wenn diese Pläne zunächst spielerische Züge hatten. „Mein Vater hat mich als Kleinkind regelrecht ausgetrickst: Er erzählte mir, die bunten Trikots der Tour de France gehörten zu meiner Lieblings-Kindersendung im Fernsehen. So bin ich ganz unbewusst ein Radsport-Fan geworden“, erinnert er sich schmunzelnd.
Mit fünf Jahren reifte daraus ein konkreter Traum: einmal die Champs-Élysées sehen, wo die Tour de France endet. „Mein Vater meinte damals, wenn ich genug Geld für ein Flugticket zusammenspare, könnten wir hinfliegen. Also habe ich zweieinhalb Jahre lang jedes Geburtstags- und Weihnachtsgeschenk zurückgelegt. Meine Familie hat schnell bemerkt, wofür ich spare, und mir immer wieder etwas zugesteckt, bis es am Ende gereicht hat.“ Und so stand der kleine Luke wenig später tatsächlich am Pariser Boulevard, auf dem die größten Namen des Radsports jedes Jahr Geschichte schreiben.
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Von Australien nach Europa
Mit dieser frühen Radsport-Leidenschaft im Rücken dauerte es nicht lange, bis Luke anfing, Radrennen zu fahren. Geboren und aufgewachsen in Mudgee im australischen Bundesstaat New South Wales, sammelte er zunächst in der heimischen Szene erste Erfahrungen. Doch schon früh wurde klar, dass er für den nächsten Schritt nach Europa gehen musste. Ende 2021 ergab sich die Gelegenheit – und mit der Saison 2022 begann für den jungen Australier, der sich inzwischen zu einem der besten Junioren seines Landes entwickelt hatte, ein neues Kapitel.
In Australien startest du mit vielleicht 40 Fahrern, in Europa sind es 170. Die Intensität, die Länge, die Härte – alles ist auf einem ganz anderen Level.
Tuckwell bestritt seine ersten Rennen in Europa, 2023 und 2024 trat er schließlich für das britische Continental-Team Trinity Racing in die Pedale. Im Interview erklärt er den Unterschied zwischen beiden Rennszenen: „In Australien startest du mit vielleicht 40 Fahrern, in Europa sind es 170. Die Intensität, die Länge, die Härte – alles ist auf einem ganz anderen Level. Selbst die Strecken sind brutaler. Ehrlich gesagt: Es ist ein riesiger Unterschied – und war für meine Entwicklung daher essenziell“, sagt er rückblickend.
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Von den Rookies in die WorldTour
Tatsächlich brachte ihn diese neue Herausforderung voran. Mit jedem Rennen wuchs nicht nur sein Erfahrungsschatz, sondern auch seine Entwicklung wurde greifbarer. Heute gilt Tuckwell als klassischer Rundfahrertyp – ein Fahrer, der nicht nur am Berg glänzt, sondern auch über mehrere Tage hinweg konstante Leistungen abrufen kann. Auffällig ist dabei seine Beständigkeit: kaum Ausreißer nach unten, stattdessen eine stetige Präsenz unter den Besten. Seine Resultate beim Baby Giro oder bei der Tour de l’Avenir, die er vor wenigen Tagen auf Platz zehn beendete, belegen das eindrucksvoll.
Luke Tuckwell trainiert mit Red Bull BORA hansgrohe in Andorra
© Twila Federica Muzzi / Red Bull Content Pool
Der Lohn: Für 2025 unterschrieb der Australier bei den Red Bull – BORA – hansgrohe Rookies – dem U23-Rennstall von Red Bull – BORA – hansgrohe. Nicht einmal ein Jahr später wurde er aufgrund seiner starken Leistungen nun auch mit einem WorldTour-Vertrag ab 1. Januar 2026 ausgestattet. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die noch längst nicht am Ende sein dürfte. Denn die Tage im Rosa Trikot beim Giro Next Gen waren nur ein Vorgeschmack darauf, was für Luke Tuckwell möglich ist. Ein Blick auf die bisherige Karriere des jungen Australiers zeigt: Tuckwell lebt seinen Kindheitstraum – und ist bereit, ihn in den kommenden Jahren Schritt für Schritt weiterzuschreiben.
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